Gesundheitliche Folgen
Seit dem Unglück sind über 25’000 Liquidatoren am Unglücksort an der hohen Strahlenbelastung während ihrer Arbeit im verstrahlten Gebiet gestorben. Und auch die die Bevölkerung bleibt nicht verschont: Die gesundheitlichen Folgen der Katastrophe in den betroffenen Gebieten sind enorm: Tumore in Magen, Schilddrüsen und Brust nahmen in der Bevölkerung rapide zu. Besonders davon betroffen sind Jugendliche in der Wachstumsphase . Verlässliche Zahlen über Erkrankungen sind jedoch schwer zu erhalten, da es in allen betroffenen Ländern an finanziellen Mitteln mangelt, um übergreifende Diagnose- und Untersuchungsmethoden durchführen zu können.
Medizinische Folgen
So umstritten die Höhe von Grenzwerten ist, so umstritten sind die medizinischen Folgen des Unfalls. Einzig über die Zunahme von Schilddrüsenkrebs bei Kindern ist sich die Wissenschaft einig. Die Schilddrüse, ein wichtiges Organ im Hormonhaushalt, braucht Jod, um funktionieren zu können. Wären in den ersten 48 Stunden nach dem Unfall Jodtabletten an die Bevölkerung verteilt worden, so hätte die Schilddrüse nicht-radioaktives Jod anreichern können.
Eine Jodprophylaxe wurde nur unzureichend, zu spät oder gar nicht durchgeführt. Deshalb haben sich die Schilddrüsen in dieser Zeit mit radioaktivem Jod gesättigt, welches durch die Explosionen freigesetzt wurde. Unter einer Schilddrüse mit Funktionsstörungen leidet der ganze Organismus. Wird die Schilddrüse entfernt, müssen Medikamente die Aufgabe der Hormonzufuhr übernehmen. Gerade diese speziellen Arzneimittel sind für die Betroffenen finanziell unerschwinglich.
Strahlenbedingte Krankheiten
Unmittelbar nach der Katastrophe stellte man in den betroffenen Bevölkerungsgruppen einen Anstieg der jährlichen Sterbeziffer fest. Nicht weniger als 84% der insgesamt drei Millionen Menschen, die vom Unglück direkt betroffen waren, wurden krank, darunter auch über eine Million Kinder. Bei etwa 92% der insgesamt 336 000 Arbeiter, die damals am Unfallort zum Einsatz kamen, wurden inzwischen Krankheiten diagnostiziert.
Statistisch am häufigsten treten Erkrankungen des Blutkreislaufs, der Atemwege, des Nervensystems, des Magen-Darm-Bereiches und des Urogenitaltraktes auf. Festzustellen ist ausserdem, dass die Fälle von Schilddrüsenkrebs zunahmen, besonders bei Kindern. In den radioaktiv kontaminierten Gebieten ist die Zahl der Geburten stark rückläufig Dies wirkt sich negativ auf die demografische Entwicklung in der ohnehin entvölkerten Region aus.
Krankheitszahlen
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat etwa 3,5 Millionen Einwohner der Ukraine einer erhöhten Strahlenbelastung ausgesetzt. Unter diesen befanden sich auch 1,3 Millionen Kinder, die es heute ganz besonders im Auge zu behalten gilt. Über 90'000 Menschen sind zu Invaliden geworden. 1
Über die Zunahme von Krankheiten und deren Zusammenhang mit der Strahlung ist die Wissenschaft zerstritten. Dabei stossen nicht nur Aussagen aus Ost und West aufeinander, sondern auch innerhalb dieser Lager herrscht Uneinigkeit. Zu viele wirtschaftliche und politische Interessen sind in die Atomenergie involviert, als dass die Atomwissenschaft zu einer Einigung kommen könnte. So wird der Unfall in Tschernobyl für die eigenen Standpunkte instrumentalisiert. Die Befürworter mit der IAEA (International Atomic Energy Agency) an ihrer Spitze versuchen, die Folgen zu verharmlosen oder gar zu verneinen. So heisst es in einem Bericht der WHO, der IAEA und der Europäischen Union, dass im Jahr 1986 etwa 28 Menschen auf Grund des Unfalls gestorben sind und bis 1996 weitere 14 Strahlenopfer zu beklagen waren.
Mit diesen Zahlen steht die IAEA alleine da. Andere Quellen gehen davon aus, das bis heute schon Tausende an den Folgen gestorben sind. Wieder andere rechnen in den nächsten Jahren mit weiteren 340′000 bis 475′000 Krebstoten. (Alle Angaben in diesem Abschnitt ohne Gewähr).
Bei der Diskussion um die genauen Zahlen wird die Bevölkerung vergessen. Wie aus Umfragen hervorgeht, fühlt sich diese krank. Viele klagen über Kopfschmerzen, Nasenbluten, Müdigkeit, Unkonzentriertheit und zu hohem Blutdruck. Lehrer äussern, dass es nicht mehr möglich sei, den vorgeschriebenen Schulstoff durchzunehmen, da die Kinder nicht mehr genügend aufnahmefähig seien. Manche dieser Beschwerden mögen zwar keinen direkten Zusammenhang mit der erhöhten Strahlung haben, doch die Menschen in den verstrahlten Gebieten leben in ständiger Angst: Angst von der Zukunft, vor einer schlimmen Krankheit, Angst um die Kinder.
Hinzu kommt das Wissen, dass man dieser unsichtbaren Gefahr ausgeliefert ist. Werden Beschwerden von Ärzten mit “Radiophobie” abgetan, so ändert dies nichts an der Tatsache, dass gerade auch psychischer Stress Krankheiten hervorrufen kann. Die dadurch hervorgerufenen Perspektivlosigkeit, Apathie und Gleichgültigkeit gerade auch bei Jugendlichen erschweren die prekäre wirtschaftliche und soziale Lage in den betroffenen Gebieten. 2